No Name Story.


Diese Geschichte ist an 2 Personen gerichtet, die ich seit 3 Jahren kenne. Ich liebe euch.

„Dieser Frühling sollte niemals enden,
denn die Melodie in meinem Kopf ist zu schön.“

 Ein stummer Schrei hallte vergeblich durch den verlassenen Wald. Ich war allein. Alleine mit meinen Tränen der Angst. Das einzige Geräusch, das ich vernahm, war ein einsam singender Vogel, welcher ein paar Meter vor mir auf einen Ast saß. Ich starrte ihn an. Sowarin. So-wa-rin. Owari. Ich hätte sie retten können. Hätte sie alle davor retten können, diesen Schmerz zu spüren. Zu wissen, wie es ist, allein zu sein. Noch immer spürte ich den Schmerz, der sie durchzuckte. Ihr zu einer Grimasse verzerrtes Gesicht. Es brach mir schlicht das Herz und ich schüttelte die Erinnerung aus meinem Kopf. Konzentrieren musste ich mich nun. Ich streckte meine Hand dem Vogel entgegen. Er zwitscherte mir fröhlich eine Melodie zu und flog auf meiner Schulter. „Na, kleiner Kerl. Was machst du hier, ganz alleine im Wald? Wo sind deine Freunde, hast du niemanden zum spielen?“, fragte ich ihn. Statt einer Antwort knabberte er für einen kurzen Augenblick an meiner Schulter und vor meinen Augen erschien eine Folge Bilder, die einen verbrannten Wald darstellten. Ein einziger Baum war noch voller Leben, während die anderen in den lodernden Flammen standen. Ich konnte sie spüren, die Hitze. Ihre Schreie hören. Es war, als müsste ich selbst schreien vor Schmerz. Und was mir noch auffiel - es war dieser Wald. Mir war bewusst, was der Vogel sah und ich strich ihm sanft über seine Flügel. „Ich weiß. Auch ich möchte diesem Albtraum entfliehen. Doch so einfach wird es nicht werden. Nicht für mich und nicht für dich. Für niemanden. Es soll Schicksal sein.“. Der kleine Vogel verschwand zwischen den Bäumen. Einen Moment blickte ich ihm sehnsüchtig hinterher, ich wollte so frei sein wie er. Doch ich hatte meine Chance vertan und war nun in meinen eigenen Erinnerungen gefangen. Mir schmerzt die Seele, wenn ich an das Vergangene dachte, ich will mich aufgeben, in einer Welt versinken, in der ich bedeutungslos bin. Eine Welt, in der ich mich ganz der Einsamkeit hingeben kann. Ich stutzte. Was dachte ich da. War ich überhaupt noch ich selbst? In all meiner Verzweiflung war mir das Licht entgangen, das aus einiger Entfernung leuchtete. Einen Schritt nach den anderen setzte ich und stellte mich meinem Schicksal. Ein einziger Schritt trennte mich noch von der Realität. Ich ging dem Portal entgegen, der einen Beat aussandte. Den Beat of Spring.

Chapter 1 (Last Edit: 09/01/14)

Dieser Tag begann eindeutig zu früh für mich, stellte ich fest. Ich war noch tief im Schlaf versunken, als Hana bei mir anrief. Da meine Eltern momentan außerhalb des Landes sind, bin ich alleine zu Hause und dementsprechend nutze ich auch das ausgiebige Ausschlafen am Sonntag. Ich war es gewohnt, allein zu sein. So lang ich mich erinnern kann, reisen meine Eltern monatlich nach Europa, um dort an verschiedenen Meetings teilzunehmen. Früher, als ich noch kleiner war, passte unsere Haushälterin Hogo auf mich auf und führte den Haushalt. Mittlerweile waren meine Eltern jedoch der Meinung, ich sei alt genug, um selbst für mich Verantwortung zu tragen. Hin und wieder klappte dies zwar nicht so gut, aber durch die Alltäglichkeit wurde es normal für mich. Hana fragte mich, ob ich mich mit ihr und einigen anderen Klassenkameraden aus Shinrai am Stadtrand treffen wolle, da sie einen Ausflug geplant hatten. Trotz dass diese Uhrzeit am Morgen ein Todesurteil für jeden war, der nur daran dachte, mich anzurufen, konnte ich ihr Angebot nicht ausschlagen. Schon immer besuchte ich den Wald gern, Etwas zog mich zu der Natur und zu dem Wald. Ich legte den Hörer auf, stützte mich einen Augenblick ab und atmete tief ein. Es war zu früh. Eindeutig. Nachdem ich mich meines Pyjamas entledigt hatte, betrat ich die Dusche unddrehte das Wasser an. Warm floss es mir den Körper entlang und zum ersten Mal konnte ich mich am heutigen Morgen entspannen. Meine Gedanken drifteten ab und ich musste über den Traum der letzten Nacht lange Zeit nachdenken. Schon seit einigen Tagen hatte ich ausgesprochen seltsame Träume, denn immer wieder tauchte ein Wald darin auf. Doch der letzte unterschied sich von allen bisherigen. Ich betrachtete einen einzigen Wassertropfen, der meinen Finger hinab rann.  Ich fragte mich, ob dieser Traum irgendetwas zu bedeuten hatte, doch letzten Endes kam mir das absurd vor. Einem Durchschnittsmenschen wie mir passierte niemals etwas Besonderes. Nach erfolgreicher Handtuch-Suche trocknete ich mich ab, zog frische Kleidung an und strich meinen Rock glatt. Durch einen kurzen Blick auf die Uhr stellte ich überraschender Weise fest, dass mir noch einige Zeit blieb, bis Hana mich abholen würde. Eine Tasse Kaffee und Taiyaki später entschloss ich mich dazu, die ersten Schritte Richtung Menschheit zu tätigen. Als ich die Haustür öffnete, blinzelte ich der hellen Mittagssonne entgegen. Es war Sommer und zudem war es dieses Jahr vergleichsweise heiß zu den vergangenen Jahren. Nachdem ich mich an das grelle Licht gewöhnt hatte, schloss ich die Tür ab, setzte mich auf die Mauer, die das Grundstück abgrenzte und begann zu warten. Aus einiger Entfernung hörte ich jemanden rufen, deshalb richtete ich mich auf, nachdem ich mich ausgiebig gestreckt hatte. Da ich die Stimme durch den Lärm der vorbei fahrenden Traktoren nicht identifizieren konnte, rieb ich mir die Augen, um überhaupt etwas sehen zu können. Nachdem ich die Augen erneut geöffnet hatte, stand auch schon Hana vor mir. Hana und ich kannten uns seit Anfang der Mittelschule und sind seither beste Freundinnen.   . „Jikku! Es ist schon spät, wir müssen uns beeilen, sonst gehen die anderen schon ohne uns los!“, sagte sie aufgebracht, packte mich an den Schultern und schüttelte mich. Wie ich das hasste.  „Ja-ja, mach keinen Stress, sie werden schon auf uns warten. Lass mich wenigstens meine Schuhe noch zubinden.“, antwortete ich ihr übermüdet und beugte mich hinab, um mir die Schnürsenkel zu binden. „Du, Jikku, sag mal.. Als wir das letzte Mal in der Stadt waren, benahm sich Mizu eigenartig, fandest du nicht auch?“. Ich hielt inne und überlegte einen kurzen Augenblick. Ja, da hatte sie Recht. Nachdem wir noch in einen Spaziergang in den Shinrai-Wald geplant hatten, wurde sie nervös und meinte, sie müsste nach Hause, dass ihre Eltern auf sie warteten. Mizu war sonst gerne in den Wald gegangen und dort war es ihr auch egal, wenn ihre Eltern auf sie warteten. Was wohl vorgefallen war?  Ich schüttelte meinen Kopf, band meine Schuhe fertig und richtete mich wieder auf. Vielleicht war es besser, ein anderes Mal mit ihr darüber zu reden „Vielleicht war ihr ja nicht gut. Aber du hast Recht, wir sollten uns beeilen.“. Nachdem wir den Stadtrand erreichten, entdeckten wir auch die anderen. Meine Freunde Honô, Rekishi und Tanjerin. Honô und Tanjerin kannte ich auch seit der Mittelschule, Rekishi erst seit der Oberschule. Ungeduldig warteten sie und als Tanjerin uns entdeckte, schnaufte sie und rief uns entgegen: „Auch mal von den Toten erwacht, Jikku? Wurde langsam auch Zeit, ich hätte keine Minute länger gewartet. Sei froh, dass Honô und Rekishi mich überredet haben, noch zu bleiben.“ Ich verdrehte die Augen und sparte mir meine Bemerkung, da ich wusste, dass Tanjerin das nicht böse meinte. Sie war nun mal ungeduldig, aber in Wirklichkeit war sie sehr liebenswert. Honô warf mir einen amüsierten Blick entgegen und nachdem wir auch die anderen beiden begrüßt hatten, begaben wir uns Richtung Waldrand. Grimmig dreinblickend stapfte ich den anderen hinter her, die sich ausgelassen über das Sommerfest unterhielten. Ich betrachtete die vorbeiziehenden Bäume. Als Honô mein Grummeln bemerkte, gesellte er sich zu mir und strubbelte mir durch mein Haar. Liebevoll blickte er mich an. Oh ich kannte diesen Blick. Ich liebte und hasste ihn zugleich. „Du hast gewonnen.“. Ich überlegte. Sollte ich ihm alles erzählen, oder war es besser, nicht zu viel zu verraten? Eine Zeit lang schwieg ich und überlegte. Die plötzlichen Worte Honô’s ließen mich aufschrecken. „Wenn du nicht willst, musst du es mir nicht erzählen. Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich. Es scheint dir nicht gut zu gehen.“. Zaghaft lächelte ich ihn an. „Schon gut, schon gut.  Ja, mich beschäftigt etwas. Ich hatte die Nacht einen sehr eigenartigen Traum und ich weiß nicht mal genau, wie ich ihn beschreiben soll. Ich befand mich im Shinrai-Wald und es war mitten in der Nacht. Irgendetwas hat mich verfolgt und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es mich töten wollte. Nachdem ich einige Meter gerannt bin, habe ich einen Baum gefunden, der mich… wie kann ich es am besten beschreiben… irgendwie magisch angezogen hatte. Ich vergas alles um mich herum und berührte den Baum. Er sah alt, aber dennoch sehr gesund aus und er strahlte eine Aura der Geborgenheit aus. Ich lehnte mich gegen ihn und ließ mich auf den Boden sinken. An meiner Hand entdeckte ich einen kleinen Schnitt, der länglich über meinen Handrücken verlief. Alles fühlte sich so real an. Diese Angst, dieser Baum. Ich verbarg mein Gesicht in meinen Händen und blieb einige Zeit still sitzen. Meinem Verfolger schien ich entwischt. Beruhigt legte ich mich neben den Baum und schloss meine Augen. Als ich sie das nächste Mal öffnete, lag ich wieder in meinem Bett. Doch weißt du, was das ganz merkwürdige ist? Dieser Schnitt an meiner Hand…“. Ich vollendete den Satz nicht, sonder hob meine Hand und streckte sie ihm entgegen. Behutsam nahm er sie in seine und kontrollierte sie. „Das kann nicht sein, an deiner Hand ist auch solch ein Schnitt. Beim näheren Betrachten sieht es aus wie ein Kreis. Bist du sicher, dass du dich nicht irgendwie anders verletzt haben könntest?“. Ich sammelte meine Gedanken und lies sie noch einmal in der letzten Nacht verweilen. “Nein.“, antwortete ich und blickte angsterfüllt auf meine Hand. Hatte ich etwa gar nicht geträumt? Während Honô mich beobachtete, versuchte ich den Gedanken zu verdrängen, dass es kein Traum gewesen sein könnte. Ich zitterte am ganzen Körper, weshalb er meine Hand kurz drückte und sie dann los lies. Dabei brauchte ich ihn genau in diesem Moment. Doch er verstand mich nicht. Alle blieben stehen, als ich den Versuch wagte, meine erneut aufgegangenen Schnürsenkel zu binden. „Geht schon mal weiter, ich komme gleich nach!“, rief ich ihnen zu und sie setzten ihren Weg fort. Die Schnürsenkel waren nur eine Ausrede, um alleine zu sein, um meine Gefühle nicht mehr unterdrücken zu müssen. Nachdem die anderen außer Sichtweite waren, hielt ich es nicht mehr aus. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich fing an zu laufen. Ich wusste nicht, wohin mich meine Beine tragen würden, ich wusste nicht, wie lange ich laufen würde, aber ich wusste, dass ich musste. Ich musste dieses Gefühl loswerden, was sich langsam in mein Herz hinein schlich. Während ich lief, streifte ich Büsche und Äste, den Schmerz spürte ich jedoch nicht, er war ein Nichts im Gegensatz zu dem Schmerz in meinem Herzen. Immer weiter lief ich, hielt nicht an, wusste nicht, wo ich war. Plötzlich versagte die Kraft in meinen Beinen und ich sank auf meine Knie. Ich ließ mein Gesicht in meine Hände fallen und weinte hemmungslos. Niemals wollte ich, dass mich so jemand sah, so gebrochen. Ich versuchte, die Gedanken zu verdrängen, jedoch ohne Erfolg und so holte mich die Erinnerung immer wieder ein… Eine Erinnerung, die jedoch niemals wirklich passiert war. Immer wieder und wieder tauchte dieses Mädchen in meinen Gedanken auf, wie sie eines grausamen Todes starb. Jedes Detail ihres schmerzverzerrten Gesichtes konnte ich schrecklicher Weise erfassen, jedes ihrer Gefühle spürte ich am eigenen Leibe. Doch ich hatte dieses Mädchen nie getroffen, sie war eine Fremde. Ich stieß einen Schrei aus und sank zusammen. Es musste doch einen Grund dafür geben, dass sie in meinem Kopf war. Zitternd versuchte ich, aufzustehen, doch meine Beine wollten nicht, sie fühlten sich an wie aus Stein. Ich probierte es noch einmal, jedoch erneut ohne Erfolg. Tief zog ich die Luft ein und versuchte es immer wieder. Und wieder. Wie oft ich es versucht hatte, wusste ich nicht mehr, denn nach etlichen Versuchen sackte ich zusammen und blieb liegen. Nachdem meine Tränen versiegt waren, blickte ich in die glühende Sonne und lächelte, bevor ich bewusstlos wurde. Ich wusste nicht, wie lange ich dort bewusstlos lag, doch als ich meine Augen wieder öffnete,  erblickte ich den Sternenhimmel. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu sammeln, da mir immer noch ziemlich schwindelig war, doch dann richtete ich mich auf. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf etwas gelegen hatte. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich eine kleine Wolldecke, auf die jemand anscheinend meinen Kopf gebettet hatte. Plötzlich beschlich mich das Gefühl der Angst. Anscheinend war ich nicht alleine im Wald, daher blickte ich mich panisch in alle Richtungen um, konnte aber wegen der Dunkelheit nichts erkennen. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag, so still war es hier. Ungewöhnlich still. Doch als ich ein Geräusch hinter mir wahrnahm, beschleunigte sich mein Herzschlag. Dieses Gefühl schnürte mir den Hals zu und ich wollte am liebsten im Dunkeln verschwinden. Langsam drehte ich mich in die Richtung um, in der ich glaubte, das Geräusch vernommen zu haben und schlich mit leisen Schritten in diese Richtung. Etwas kam mir mit rasender Geschwindigkeit entgegen und mein Herz blieb für einige Sekunden stehen, doch dann bemerkte ich, dass es nur ein Vogel gewesen war, welcher mich erschreckt hatte. Aufatmend blickte ich ihm hinterher, wie er davon flog und versuchte mich zu beruhigen. Mein Blick wanderte erneut zum Sternenhimmel und ich dachte nach. Das Beste würde wohl sein, einen Weg nach Hause zu finden. Ich fluchte, dass ich mein Handy nicht dabei hatte, sonst hätte ich jemanden Bescheid sagen können, doch ich hatte es wie immer zu Hause liegen gelassen. Mein Akku war wahrscheinlich auch tot. Ich fragte mich, ob sich dich anderen Sorgen gemacht hatten, da ich nicht mehr aufgetaucht war. Machten sie sich überhaupt Sorgen? War es ihnen vielleicht egal, hatten sie mehr Spaß ohne mich? Wenn ich mich so betrachte, dann könnte das gut möglich sein. Ich versuchte, meine Selbstzweifel wegzuwischen und begann, mir einen Weg durch das Dickicht zu bahnen, um aus den Wald zu gelangen. Einige Zeit verging, bis ich in der Ferne ein Licht entdeckte. Vielleicht hatte ich den Stadtrand schon erreicht!? Meine Schritte beschleunigten sich und ich hoffte, dass meine Vermutung stimmte. Doch als ich näher kam, sah ich, dass das Licht nur von einer Laterne kam, die zwischen 2 dickeren Bäumen stand. Ich überlegte einen Moment. Eine Laterne… in einem Wald? Das alles kam mir langsam merkwürdig vor, ich betrachtete die Laterne einige Augenblicke. Sie schien keine gewöhnliche zu sein, wie die, die zu unserer Stadt gehörten. Schriftzeichen waren darauf eingraviert, doch ich konnte sie nicht entziffern, da sie verblasst waren. Anscheinend schien diese Laterne schon einige Jahre hier zu stehen. Merkwürdig. Mit meinen Fingern strich ich über die Beschriftung, ich spürte die Einkerbungen nur noch leicht. Ich entschloss mich dazu, die Zeichen auf zuschreiben, deshalb nahm ich meinen kleinen Notizblock hervor und schrieb sie auf, um später einmal darüber zu recherchieren. Nachdem ich mir einen Weg aus dem Wald zu bahnen versuchte, legte ich mir mit Steinen Markierungen, um einen Weg zurück zu der Laterne zu finden. Einige Zeit später, meine Beine fühlten sich an wie Gummi, erreichte ich endlich den Waldrand. Zu meiner Überraschung befand ich mich in einem Garten. In Honô’s Garten. Eigentlich sollte ich bei ihm vorbei schauen, damit er erfuhr, dass ich wieder da war, doch ich traute mich nicht. Ich hatte Angst davor, dass er mir Vorwürfe machen würde. Vorwürfe, die ich mir schon machte. Leise schlich ich mich um das Haus, um nicht entdeckt zu werden, wobei es mich gewundert hätte, wenn nachts um diese Uhrzeit (ich schätzte es auf 2 Uhr morgens) jemand um die Häuser schlich. Das tat ich gerade. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich nahm meine Beine in die Hände und lief, bemerkte jedoch einen Schatten hinter mir. Jetzt bekam ich auch noch Verfolgungsängste. Nachdem ich schweren Atems mein zu Hause erreicht hatte, riss ich die Haustür auf und versperrte diese wieder, nachdem ich eingetreten war. Ich ließ mich an der Tür herab sinken und schloss meine Augen. Völlig niedergeschlagen und geschafft schlief ich sofort ein. Ich hatte denselben Traum wie ich ihn schon eine Nacht vorher erlebt hatte. Es war dieselbe Umgebung, derselbe Wald, dieselbe Stelle und dieselbe Zeit. Ich durchlief ihn, auf der Flucht vor der körperlosen Gestalt, doch eines irritierte mich. Mir kam diese Gegend so vertraut vor, als wenn ich schon einmal dort gewesen wäre. Nach einigem zögern fiel es mir auf. Ich war soeben an der Laterne entlang gelaufen, welche von den gleichen Schriftzeichen verziert waren, welche jedoch nicht alt und verblasst waren, wie es die waren, die ich gesehen hatte. Trotz der Gefahr, der körperlosen Gestalt noch einmal zu begegnen, blieb ich stehen und betrachtete die Laterne näher. Ich wusste, dass mir wenig Zeit blieb, um sie mir einzuprägen, bevor mein Traum enden würde, dennoch gab ich mein Bestes. Gerade, als ich dabei war, mir die letzte Zeile anzuschauen, spürte ich einen dumpfen Schlag und blickte mit letzter Kraft auf und entdeckte die körperlose Gestalt. Lächelnd starrte ich den silbernen Schimmer an und ergab mich. Game Over.  Als ich aufwachte, rieb ich meinen Kopf und stellte fest, dass ich zu Boden lag und mir den Kopf angestoßen hatte, da ich anscheinend während des Traumes umgefallen war. Wäre das nicht passiert, hätte ich vielleicht auch noch die letzte Zeile der Drei entziffern können. Das, was ich jedoch lesen konnte, beinhielt die Worte ,,Erinnerungen werden wach, Gedanken von dem Wind fortgetragen, der die Welt ins Licht eintaucht...“. Ich fragte mich, was diese Worte zu bedeuten hatten und stand auf. Nach einem kurzen Blick in das dunkle Wohnzimmer stellte ich fest, dass mich jemand angerufen hatte. Seufzend ging ich zu dem Anrufbeantworter und drückte „Play“, während ich mich fragte, ob ich das wirklich wollte. „Jikku! Jikku!“ Es waren Honô’s Worte. „Sag mir, dass es dir gut geht! Wo bist du?! Wir haben den ganzen Tag nach dir gesucht bis in die Nacht hinein, bitte sag mir, dass du zu Hause bist! Wir machen uns alle furchtbare Sorgen!“ Plötzlich vernahm ich ein Schluchzen aus dem Hintergrund. Eine leise Stimme rief immer wieder die Worte „Es geht ihr gut. Es geht ihr gut.“ Es war Hana. Ich blickte auf das Gerät. 23:36 Uhr. Und verkniff mir meinen Gedanken. „Wenn du zu Hause bist… bitte melde dich! Hana hat schon die verrücktesten Vorstellungen und ich will sie nicht glauben. Bitte!“ Es spielte die zweite Nachricht ab. 01:05 Uhr. „Jikku. Jikku. Jikku wo bist du?!“ Dritte Nachricht. 07:14 Uhr. Ich stutzte und blickte auf das Datum. 02. April. Ich war einen.. Monat fort gewesen. Einen Monat. „Bitte melde dich, sag mir, es geht dir gut!“ Vierte Nachricht. Dienstag, 04. April. „Es sind nun schon 2 Tage her, seitdem du weg bist. Wir haben mittlerweile die Öffentlichkeit um Hilfe geboten. Bitte lebe.“ Sonntag, 09. April. „Wir können dich seit einer Woche nicht finden. Jikku.“ 22. April. „Ich vermisse dich.“ 01. Mai. „Ich kann nicht begreifen, dass du nicht wiederkommen wirst. Ich kann nicht. Ich…“ Ich hörte sein weinen. „Es tut so weh. So weh. So weh. Ich wünschte, du wärest hier. Doch du bist tot. Letzten Freitag.. sind wir zusammen in den Wald gegangen und haben uns verabschiedet. Ich kann das nicht.“ Seine Stimme brach ab. Und dann hörte ich nur noch das Auflegen. Keine weiteren Nachrichten. Ich fühlte mich, als wenn ich mich übergeben müsste. Was ist nur passiert. Wie konnte ich so lange dort draußen überleben? Wieso hat mich niemand gefunden? Und vor allem, wieso habe ich so lange geschlafen? Die viele Fragen quälten mich. Mein Gewissen quälte mich. Mein Herz tat so unglaublich weh, doch ich konnte nicht weinen. Sie glaubten, ich sei tot. Ich habe sie alleine gelassen, sie in einer Lüge weiterleben lassen. Doch wie konnte ich jetzt noch jemanden von ihnen aufsuchen und sie die Wahrheit unterrichten? Sie glaubten, ich sei tot. Es schmerzte zu wissen, dass ich nicht mehr existenziell sein sollte. Wieso glaubten sie so etwas. Wieso gaben sie die Hoffnung so leicht auf? Und dann kamen die Tränen. Meine Selbstzweifel übermannten mich. Sie brachten mich zu Boden und ließen mich nicht wieder hinaufzuschauen. Ich hielt den Kopf in meinen Händen und weinte mir die Seele aus dem Leibe. Doch es half nicht, ich war gebrochen. Oder um es für die Öffentlichkeit auszudrücken, tot.

Chapter 2 (Last Edit: 16/02/14)

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, stützte ich mich mit beiden Armen vom Bett ab und blieb einen Moment sitzen.  Mein Körper spannte sich an, als ich die Erinnerungen an den vergangenen Tag hervorrief. Einsamkeit füllte mich und ich begann mich zu fragen, was ich nun tun sollte. Wie lebte man, wenn die Menschheit davon ausging, dass man tot sei? Flüchtig wischte ich mir mit der einen Hand kommende Tränen aus den Augen und stand mit einem Ruck auf, bereute dies aber Sekunden später, als ich taumelnd zu Boden ging. Ich wollte gar nicht erst wieder aufstehen, rappelte mich aber mit letzter Kraft wieder auf. Mein Blick glitt Richtung Uhr und erschrocken stellte ich fest, dass es bereits 07:00 Uhr war. Gerade wollte ich die Stufen hinunter zum Bad rennen, da bemerkte ich, dass ich mir die Mühe sparen konnte. Es gab mich nicht mehr. Also entschloss ich mich dazu, in die Küche zu gehen, um etwas zu frühstücken. Gähnende Leere blickte mir entgegen nach Öffnung des Kühlschrankes. Stimmt ja. Ich bin tot. Da ich jedoch etwas in meinen leeren Magen bekommen musste, zog ich mir eine Jacke an, setzte die Kapuze auf verbarg mein Gesicht hinter einem Schal. Als ich die Tür öffnete, erfasste mich ein warmer Windzug. Mittlerweile war es Mai und für diese Jahreszeit ausgesprochen warm. Ich blickte mich zuerst vorsichtig um und ging dann mit langsamen Schritten die Straße entlang Richtung Stadt. Jedes Mal, wenn mir eine bekannte Person entgegenkam, zog ich mich tiefer in meinen Schal zurück und jedes Mal wurde das Gefühl in meiner Brust schlimmer. Ich bog eine Straße nach rechts Richtung Stadtmitte und blieb vor einem 24-Stunden-Laden stehen, schaute mich erneut um, bevor ich ihn betrat. Schnell wurde ich an den Regalen fündig und nahm mir einige Tüten Reis und andere leicht zubereitbare Gerichte, um damit zur Kasse zu gehen. Ich betete dafür, dass die Frau an der Kasse mich nicht erkannte, doch als ich ihr wortlos einige Geldscheine entgegenstreckte, nahm auch sie sie wortlos an. Ohne ein Wort lief ich eilig aus dem Laden und bog in eine Sackgasse ein und blieb stehen. Glücklich darüber, dass sie mich nicht erkannt hatte, traurig dass sie mich nicht erkannt hatte. Schienen die Leute einen Menschen so einfach zu vergessen? Dieser Gedanke trübte meine Sicht und ich nahm mir ein Onigiri aus der Tüte und begann, daran zu knabbern. Als ich wieder fast zu Hause war, verharrte ich an einer Laterne gegenüber von meinem Haus. Vor der Tür stand Hana. Starr blickte ich zu Boden und versuchte, alle meine Gedanken zu verdrängen, die aufkamen. Wie gerne hätte ich sie jetzt in den Arm genommen. Doch ich konnte nicht. Nachdem ich wieder aufblickte, lief Hana gerade an mir vorbei und ich konnte nur noch die Tränen und den Schmerz in ihren Augen entdecken. Sie dachte immer noch an mich. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen, erstarb aber jedoch wieder, als mir bewusst wurde, was für eine Trauer sie durchmachen musste. Voller Scham öffnete ich die Haustür und lies die Tüten auf den Tisch in der Küche sinken, zog meine Jacke und den Schal aus, hang beides in den Vorraum und stellte den Reis auf. Wartend lehnte ich an der Küchenzeile und betrachtete den Kalender. Plötzlich aufkommende Wut verleitete mich dazu, die Blätter abzureißen in den Mülleimer zu werfen. Wie auch immer das alles passieren konnte, es machte mich fertig. Ich konnte nicht einfach nur tatenlos zu Hause verweilen und jeden Tag darauf warten, dass irgendwas passieren würde. Ich musste etwas tun, egal war es war. Ich musste. In Gedanken verloren bemerkte ich nicht, wie der Reiskocher ein Signal von sich gab, doch es wurde mir bewusst, als das Piepen unerträglich wurde. Da der Reis nun nicht mehr oder weniger als Matsch war, schüttete ich ihn genervt in den Mülleimer und entschloss mich dazu, gar nichts mehr zu essen. Zumindest nicht heute, denn nun war mir der Hunger gänzlich vergangen. Ich überlegte, was ich jetzt tun sollte. Nach längerem überlegen nahm ich mir meinen Laptop, kuschelte mich auf das Sofa und öffnete ein neues Tab, um Twitter aufzusuchen. Im Nachhinein bereute ich diesen Fehler zutiefst, denn das, was mir entgegenblickte, war zu viel. Es war zu viel. Ich wurde mit hunderten von Tweets überhäuft, in denen ich betrauert wurde. Schweigend las ich die vielen Mentions an mich, die ins Leere für sie gegangen waren. Ich wollte einen Tweet schreiben. Tippte „Was habe ich damit nur mir und euch angetan“ ein, doch ich konnte es nicht abschicken. Ich konnte nicht. Tief atmete ich ein, öffnete eine neue Seite und suchte nach einem Streamingportal, um die vergangenen Folgen nachzuschauen, die ich verpasst hatte. Doch ich merkte, dass ich es nicht konnte. Das, was passiert war, zu ignorieren. Zu tun, als würde mein Leben normal weiter gehen.  Zu glauben, dass das alles nur ein schrecklicher Traum ist. „… Mein Traum war es, noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Niemand kannte mich. Niemand wusste, wer ich war. Ich konnte so sein, wie ich wollte. Also beschloss ich, dies zu tun. Noch einmal ganz von vorne anzufangen…“. Diese Worte rissen mich aus meinen Gedanken heraus und galten meiner ganzen Aufmerksamkeit. Noch einmal ganz von vorne anzufangen... War das womöglich ein Weg, der mir offen stand, um an mein Ich zu gelangen? Um herauszufinden, was mit mir geschehen war? Ich musste es versuchen. Denn mir blieb keine andere Wahl. Ich griff nach dem Bild, auf welchem Hana, Honô, Rekishi, Tanjerin und Ich abgebildet waren. Lange Zeit betrachtete ich es schweigend. Eine Träne fiel auf das Glas und ich drückte es an meine Brust. „Es tut mir Leid. Es tut mir so unglaublich leid...“,  flüsterte ich und spürte erneut ein schmerzhaftes Gefühl in meiner Brust. „Es tut mir so leid... Es tut mir so leid... Es tut mir so leid...“. Wimmernd hielt ich das Bild vor mir. Ich hörte das Splittern des Glases und realisierte erst einige Sekunden später, dass ich es mir aus den Händen geglitten war. Mein Blick blieb an meinen Händen haften, die ich immer noch vor mir hielt. Wieso hatte ich es fallen gelassen? Mit verschwommener Sicht versuchte ich das Bild hochzuheben, schaffte es jedoch nicht, ohne mich daran zu schneiden. Voller Traurigkeit drückte ich fester zu und bemerkte den stechenden Schmerz in meiner Hand, doch es war nichts im Vergleich zu dem, den ich in mir spürte, also drückte ich noch fester zu, bis ich sah, wie das Blut langsam meine Hand hinab floss und sich ein Rinnsal auf dem Boden bildete. Endlich lies ich los und legte das zersplitterte Bild zurück auf den Tisch. Ich stand auf und ging in das Badezimmer, um mir das Blut von der Hand zu waschen. Als ich den Wasserhahn aufdrehte und meine Handfläche nach oben drehte, entdeckte ich drei tiefe Wunden in ihr. Sie waren so tief wie die Wunden in mir drin. Das Wasser rann meine Handfläche hinab und erneut suchte der Schmerz mich auf. Mit Bedacht säuberte ich die Wunde, drehte den Wasserhahn ab und suchte nach Verbandsmaterial. Nachdem ich fündig geworden war, warf ich einen zunächst flüchtigen Blick in den Spiegel, welcher jedoch dann an meinem Gesicht hingen blieb. Meine langen, blonden Haare waren zerzaust und tiefe Schatten bildeten sich unter meinen Augen ab. Das erschreckendste waren jedoch meine Augen. Sie sahen sonst so fröhlich aus, doch jetzt entdeckte ich nur noch Müdigkeit und Verwirrung in ihnen. Aus einem Impuls heraus kramte ich in einem Schubfach und fand eine Schere. Was danach passierte, konnte ich nicht mehr beschreiben. Minuten vergingen und ich hörte das leise Ticken der Uhr. Ich war mir nicht sicher, wie viel Zeit wirklich vergangen war, da mich mein Gefühl schon einmal getäuscht hatte. Mein Blick richtete sich wieder gen Spiegel und ich entdeckte darin eine lächelnde Person mit schönen dunklen Augen und blonden, kurzem Haar. Sie war so schön und doch konnte ich ihrem Lächeln nicht glauben. Es wirkte falsch, es verzehrte dieses schöne Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse. Das Lächeln verschwand. In Gedanken verloren verlies ich das Badezimmer und blieb im nächsten Moment wieder stehen. „Sie fehlen mir so.‘‘ Wusste ich überhaupt, wer ich noch war? Um dies heraus zu finden, entschied ich mich nun dazu, wieder die Schule zu besuchen. Jedoch nicht als Jikku. Sondern als Sowarin. Es war mein Zweitname, den ich jedoch nicht mehr benutzt habe, seit meine Eltern fort gegangen waren. Er schien mir immer so fremd, doch nun fühlte ich mich ihm ganz nah. Es schien eine Verbundenheit zwischen ihm und mir zu geben, also nahm ich ihn endlich an.

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Ich saß auf einer Mauer und betrachtete die untergehende Sonne. Ihre Wärme strich über mein Gesicht und ihr Licht blendete mich. Also schloss ich meine Aufen und schlang meine Arme um die Knie. Es waren nun 3 Monate vergangen, seitdem ich nicht mehr lebte. Ich hatte meine Identität gewechselt, eine Person inszeniert, die ich nicht war und morgen begann bereits der erste Schultag als Sowarin. 





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